Storytelling im B2B Content Marketing – Petra Sammer im Interview
Viele B2B-Unternehmen sehen Storytelling immer noch als Spielerei oder als Mittel zur Imagewerbung für Consumer-Marken. Dabei kann Storytelling auch im B2B dazu beitragen, dass Marketingkommunikation wieder “menschelt”. Worauf es bei Storytelling im B2B-Bereich ankommt, erklärt die Storytelling-Expertin Petra Sammer in unserem Video-Interview. Dazu gibt es einen Auszug aus unserem Buch.
Nach 25 Jahren als Kreativdirektorin und Geschäftsführerin bei Ketchum Pleon hat sich Petra Sammer mit ihrer eigenen Agentur „pssst“ selbstständig gemacht (die Abkürzung „pssst“ steht für „petra sammer, strategies, stories, trends“). Ihr Fokus: Storytelling und Kreativität. Prinzipien und Beispiele für das Storytelling im B2B hat Petra Sammer kürzlich in einem Artikel auf marconomy.de beschrieben. Wir sprachen mit ihr über Voraussetzungen und Grenzen des Storytelling in Marketing und Vertrieb sowie verbreitete Irrtümer, die sich vor allem in B2B-Unternehmen hartnäckig halten.
“Besonders im B2B-Sektor schlummert ein Schatz an Geschichten, der nur darauf wartet, erzählt zu werden.” – Petra Sammer
Storytelling im B2B – Interview mit Petra Sammer
Kein Video zu sehen? Hier geht’s zu YouTube.
Themen im Interview:
- 03:05 – Welche Rolle spielt Storytelling in der Marketingkommunikation?
- 07:48 – Verbreitete Irrtümer: “Alles ist Storytelling”
- 11:00 – Verbreitete Irrtümer: “Storytelling ist nichts für B2B”
- 15:38 – Mit Geschichten Aufmerksamkeit wecken
- 16:56 – Voraussetzungen und Grenzen von Storytelling
- 19:44 – Storytelling bei Phillips
Auszug aus dem Buch “Lean Content Marketing”:
Was ist Storytelling?
In den meisten Marketingbotschaften, die wir täglich hören, steht ein Produkt im Mittelpunkt. Es übernimmt die Rolle des Helden in einer Verkaufsgeschichte und will für seine Leistungen und Fähigkeiten bewundert werden. Doch gute Geschichten funktionieren so nicht. Menschen identifizieren sich mit Menschen, nicht mit Produkten. Deshalb sind Marketer gut beraten, die Rollen neu zu verteilen und das Publikum zum Helden zu machen. Denn welcher Entscheider im B2B sieht sich nicht gern selbst als Held?
Das Erzählen von Geschichten, das sogenannte Storytelling, hat in den letzten Jahren in Marketing und Vertrieb stark an Bedeutung gewonnen. Sein Ziel ist es, potenzielle Kunden auf emotionaler Ebene zu erreichen. Denn Geschichten sprechen unser Gehirn sehr viel stärker an als harte Fakten. Sie ermöglichen ein Erleben statt nur ein Verstehen. Dabei können die Geschichten verschiedene Aufgaben erfüllen: fachliches Wissen und Erfahrungen vermitteln, Lösungen zu einem Problem aufzeigen, verbreitete Meinungen hinterfragen, Denkprozesse einleiten, inspirieren oder eine Verhaltensänderung anregen. Der Zuhörer folgt dem Erzähler auf eine Reise, an deren Ende eine Erkenntnis steht, beispielsweise: »Es ist höchste Zeit, etwas zu ändern.« Dabei sollte der Zuhörer selbst zu dieser Erkenntnis gelangen – ohne dass diese in der Geschichte explizit formuliert wird.
Der Aufbau einer Geschichte
»Erzähle nicht, die alte Dame würde schreien. Bring sie herein und lass sie schreien.« – Mark Twain
Das Grundmuster einer packenden Geschichte ist im Kern immer gleich: Die Hauptfigur der Geschichte, zum Beispiel ein Kunde, durchläuft eine Entwicklung in drei Phasen, ausgehend von einem Ist-Zustand über einen Konflikt, der mit diesem Zustand verbunden ist, hin zu einer Lösung.
Damit die Geschichte spannend und authentisch wird, gelangt der Held nicht direkt vom Problem zur Lösung, sondern muss sich auf dem Weg dahin mit verschiedenen Unwägbarkeiten und Widerständen auseinandersetzen. In Film und Literatur haben sich verschiedene Grundmuster, sogenannte Plots, im Aufbau von Geschichten bewährt. Plots bilden den Rahmen für die Dramaturgie und können wie eine Schablone sowohl für kurze als auch für lange Geschichten eingesetzt werden. Die Würze liegt im spürbaren Konflikt.

Drei typische Plots, die Sie im Marketing einsetzen können.
Tipps für mehr Spannung in Ihrer Geschichte:
- Entwerfen Sie eine Hauptfigur, mit der sich Ihr Publikum identifizieren kann (»Einer von uns«).
- Stellen Sie die Wünsche oder den Schmerz der Hauptfigur möglichst plastisch dar (»Pain Point«).
- Zeigen Sie, welche Veränderung der Held in Ihrer Geschichte durchläuft (»Change«).
- Bauen Sie Spannung auf, indem Sie Umwege und Hindernisse auf dem Weg zum Ziel einbauen.
- Stellen Sie dar, wie die Lösung (durch Ihr Produkt) das Leben der Hauptfigur verbessert hat.
Storytelling im B2B-Kaufprozess
Entscheider in Unternehmen kommen täglich mit über 5.000 werblichen Informationen in Kontakt. Gut gemachtes Storytelling kann hier dazu beitragen, das Rennen um die Aufmerksamkeit der Interessenten zu gewinnen. Wer auf Emotionen statt auf Fakten oder Behauptungen setzt, kann sich so aus Masse der Anbieter hervorheben.
Auch in späteren Phasen des Kaufprozesses spielt Storytelling eine Rolle. Sobald sich der Interessent einen Überblick über das Angebot im Markt verschafft hat, geht es für ihn darum, geeignete Anbieter im Detail zu vergleichen, um den richtigen auswählen zu können. Das ist besonders
dann, wenn sich Anbieter und Produkte sehr ähneln, keine leichte Aufgabe. Der Käufer muss hier neben reinen Fakten auch weiche Faktoren in seine Entscheidung einbeziehen. Eine gute persönliche Geschichte kann in solchen Fällen das Zünglein an der Waage sein.
»An einem bestimmten Punkt brauchen Käufer mehr als nur logische und rationale Argumente und fragen nach der Geschichte dahinter.« – Tony Zambito
Tipps für die Gestaltung des Erstkontakts:
- Halten Sie Ihre Story frei von Produktinformationen.
- Rücken Sie Menschen, Gefühle und Konflikte in den Mittelpunkt.
- Regen Sie zum Nach- oder Umdenken an.
- Demonstrieren Sie in Ihrer Geschichte fachliche Kompetenz.
- Leiten Sie Interessenten über einen Call-to-Action zu einem weiteren Inhalt, zum Beispiel einem Whitepaper oder Webinar.
- Lassen Sie Ihre Mitarbeiter und Kunden in Ihrer Geschichte zu Wort kommen.
Beispiel: Storytelling in der Unternehmenskommunikation bei Bosch
Die Robert Bosch GmbH lenkt den Fokus ihrer Kommunikation zunehmend auf Menschen und Geschichten – weg von Produkten hin zu Protagonisten. Ziel ist es, dadurch die Marke emotional aufzuladen. Dabei sind die Stories des Unternehmens immer »Social Stories«, das heißt in offener Erzählform angelegt: Über interaktive Inhalte, Share-Funktionen und aktives Community-Management gibt Bosch die Impulse, die Nutzer dürfen dann weitererzählen. Ein Beispiel hierfür ist die »Bosch World Experience 2014«, die im August 2014 zu Ende ging.

Storytelling bei der Bosch World Experience 2014 (Stand: Oktober 2017)
Bei der Aktion reisten sechs Mitarbeiter zu insgesamt sechs Zielen auf drei Kontinenten, wo sie Bosch-Technik in Aktion erlebten, beispielsweise die Steuerung der Tower Bridge in London. Über ihre Erlebnisse berichteten sie in einer »Blogumentary«, einem multimedialen Reisebericht, der die Inhalte aus diversen Social-Media-Kanälen sowie Reaktionen aus dem Netz enthält.
Mehr über Storytelling, insbesondere auch das Visual Storytelling im B2B Content Marketing, erfahren Sie in unserem Buch “Lean Content Marketing. Groß denken, schlank starten”:
Weitere Informationen zum Thema Storytelling im B2B:
- Storytelling – so erzählen Sie im B2B gute Geschichten (marconomy.de)